Gefährliche Asbesttransporte

Einer der größten Produktionsstandorte für Asbesterzeugnisse in Deutschland war die Firma Fulgurit in Luthe bei Wunstorf (Niedersachsen) in der Region Hannover. Die Hinterlassenschaft der dortigen Produktion bildet heute eine riesige, mit Erde und einer Pflanzendecke umhüllte Halde. Sie enthält nach Berechnung unabhängiger Experten rund 280.000 Tonnen Asbestmüll unterschiedlicher Zusammensetzung. Zahlreiche Experten sind der Auffassung, dass die Halde an ihrem jetzigen Lagerort am sichersten aufgehoben ist. Trotzdem wird ein äußerst gefährlicher Asbesttransport über eine Strecke von 290 Kilometern zu Deponien in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geplant.

Über 12.000 LkW-Ladungen sind erforderlich, um den Asbestmüll zu transportieren. Hinter dem ehemaligen Asbestzement-Hersteller Fulgurit GmbH stehen die großen Konzerne Fulgurit und Eternit. Letzterer schüttete 2007 eine Dividende von 14 Prozent an die Aktionäre aus. Doch die Region Hannover will diese finanzstarken Gesellschaften nicht in Haftung nehmen, was laut einem Rechtsgutachten problemlos möglich wäre. Besonders skandalös ist deshalb, dass für den Asbestmülltransport europäische Fördermittel im Umfang von 4 Millionen Euro fließen sollen.

Bereits Anfang 2009 hatte die Umweltbehörde der Region Hannover vorgesehen, die Halde zu sanieren und den Asbestmüll auf die Deponie Hannover-Lahe zu verbringen. Nachdem dies durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg aus Gründen u.a. der drohenden Gefährdung der menschlichen Gesundheit untersagt worden war, soll das Ganze nun erneut beginnen. Der Müll soll nun in andere Bundesländer, u.a. nach Mecklenburg-Vorpommern "exportiert" werden.


Die geplanten Asbestmülltransporte und die Fakten

Ursprungsort des Asbestmülls: Asbesthaltige Produktionsrückstände der 1990 geschlossenen Firma Fulgurit in Wunstorf-Luthe, Region Hannover (Niedersachsen) in Form einer riesigen Halde, die sich auf dem ehemaligen Produktionsgelände befindet

Zusammensetzung des Asbestmülls: 40 % des abzutragenden Haldenkörpers bestehen aus thixotropen und zudem hochgradig alkalischem Material; es ist daher davon auszugehen, dass nicht ausschließlich in abgebundenem Zement eingeschlossenes Asbestfasermaterial, sondern auch brüchige Materialien und Stäube im Haldenkörper enthalten sind aus denen freie Asbestfasern mit der Luft und damit unkontrollierbar verfrachtet werden. Zudem ist bisher nicht bekannt, welche weiteren Schadstoffe, wie z.B. Chromate, in den Asbestzementschlacken enthalten sind.

Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen beschrieb vor einigen Jahren für die Einstufung der Asbesthalde als Sondermüllstandort die Zusammensetzung der Halde und schrieb u.a. von Asbeststäuben. Asbeststäube sind besonders gefährlich. Zeitzeugen berichten ebenfalls von Asbeststaub, der auf die Halde verkippt wurde. Das heute mit der Erkundung der Halde beauftragte Ingenieurbüro (BIG) hat von dieser Beschreibung der Deponie durch das Landesamt angeblich noch nie etwas gehört. Dementsprechend geht der Vertreter des Büros ganz einfach davon aus - da er seinen Fehler nicht eingestehen will - dass es heute keine Asbeststäube mehr in der Asbesthalde gibt, d.h. alle Asbestmüllbestandteile sollen angeblich feucht und damit gebunden sein. Es muss angenommen werden, dass die beauftragten Gutachter die wahre Zusammensetzung der Halde bewußt verschleichern, denn die Anwesenheit von Asbeststäuben würde die Einstufung der Asbesttransporte als Gefahrguttransporte und damit einen deutlich höheren und teureren Sicherheitsaufwand nach sich ziehen.

Asbestmüllmenge: ca. 280.000 Tonnen
Von offizieller Seite wird von 170.000 Tonnen Asbestmüll geschrieben, die aus Wunstorf-Luthe abtransportiert werden sollen. Mit seiner Einwendung gegen den Asbestmülltransport weist der pensionierte Oberregierungsrat Friedrich Jaekel, der sich als Mitarbeiter des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen jahrelang mit der Asbesthalde Wunstorf-Luthe befasste, eine deutlich höhere Müllmenge nach. Die gesamte Stellungnahme des Experten finden Sie hier.

geplantes Transportvolumen: ca. 12.700 LKW-Ladungen

geplante Transportweise, die mit ihr verbundenen Gefahren und Regelverstöße: Die bisher geplante und vom TÜV-Nord geprüfte Transportweise sieht vor, dass der Asbestmüll auf Muldenkipper verladen werden soll. Dort soll er mit einem Feuerlöschschaum abgedeckt werden. Anschließend sollen die Muldenhänger der LKW mit einer einfachen Plane abgedichtet werden. Auf den Zieldeponien soll der Müll dann einfach offen abgekippt werden. Die Asbestscherben sollen in so genannten BIG-BAGS, (geschlossenen Behältern) transportiert, dann aber auf der Zieldeponie ebenfalls offen abgekippt werden. Experten warnen davor, sich auf den Feuerlöschschaum als Abdeckmittel zu verlassen. Er hat nur eine begrenzte Standfestigkeit und könnte sich durch Verzögerung der Transporte auf der Strecke zersetzen und damit Asbestfasern nicht an einer Freisetzung hindern. Diese Problematik wird in diesem Auszug aus der Leistungsbeschreibung für den Asbesttransport beschrieben.

Die Transporte des Asbestmülls, dessen genaue Zusammensetzung niemand kennt, ist überflüssig und gefährlich, so meinen Gutachter. Dr. Hermann Kruse, Toxikologe an der Universitätsklinik in Kiel in der Lübecker Zeitung vom 1.11.2011: "Ich bin schon vor einigen Jahren nach sorgfältiger Durchsicht der Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Asbestschlämme oder Asbestabfälle am besten vor Ort verbleiben und sorgfältig nach oben abgedichtet werden, sodass eben keine oder möglichst wenige Fasern in die Umgebung entlassen werden. Wenn jetzt eine Öffnung erfolgt, ist es unausbleiblich, dass Asbestfasern frei gesetzt werden. Noch mehr Asbestfasern dürften beim Transport freigesetzt werden, das heißt also: auch die Bevölkerung in der Umgebung der Altablagerung ist von den Asbestfasern betroffen und nicht nur die Bevölkerung dort vor Ort, wo es hin verbracht werden soll." (Vollständiges Interview hier.)

Der Asbesttransport verstößt gegen die anerkannten Richtlinien der "LAGA" (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall), "Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle", Mitteilung der LAGA 23 vom September 2009. Unter Ziffer 11.3 ("Abfallannahme und Deponiebetrieb") heißt es darin wörtlich: "Es dürfen nur asbesthaltige Abfälle angeliefert werden, die so verpackt oder entsprechend Kap. 7.2 und 7.3 verfestigt sind, dass beim Entladen und beim Einbau der Abfälle keine Asbestfasern freigesetzt werden. …
Die Ablagerung hat grundsätzlich in verpacktem Zustand zu erfolgen. Abfälle können dann unverpackt abgelagert werden, wenn auch der erforderliche sachkundige Umgang während einer Verpackung zu einer unvermeidbaren umweltbeeinträchtigenden Freisetzung von Asbestfasern führt oder wenn z.B. asbesthaltige Abfälle in großen Mengen bei der Sanierung von Altlasten anfallen, sofern die Freisetzung von Asbestfasern durch andere geeignete Maßnahmen, wie das Besprengen, zu verhindern ist. …Asbesthaltige Abfälle sind auf der Deponie vorsichtig abzuladen. Die Abfälle dürfen nicht geworfen, geschüttet oder abgekippt werden.

Die vorstehenden Bestimmungen und Auflagen wurden bereits bei den Test-Anlieferungen des Asbestmülls auf der Deponie Schönberg verletzt, und es steht zu befürchten, dass erst recht eine Missachtung der Bestimmungen bei den "normalen" Transporten erfolgen wird. So wurden die Asbestzementabfälle bei der Anlieferung aus einer Höhe von mehreren Metern einfach abgekippt. Hierdurch werden Asbestfasern in der Luft freigesetzt, was auch durch etwaiges Besprengen der Lieferung mit Wasser oder Schaum nicht abgewendet werden kann. Ein Besprengen der Ladung während der Fahrt ist nicht vorgesehen und technisch auch nicht möglich.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat in einem Eilverfahren mit Beschluss vom 20. Februar 2009, Geschäftszeichen 7 MS 9/09, einem Antrag der Gemeinde Isernhagen stattgegeben und die zu diesem Zeitpunkt geplanten Asbesttransporte auf die Deponie Hannover-Lahe unter Hinweis auf die LAGA-Bestimmungen gestoppt (Das Urteil finden Sie hier.). Die gutachterliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Wolfhelm Bitter vom 16.02.2009, auf die das Gericht seine Entscheidung im wesentlichen stützte, finden sie hier.
Eine Pressemeldung zum damaligen Gerichtsbeschluss lesen hier. [externer Link]

Zielort des Asbestmülls:
Sondermülldeponie Schönberg-Ihlenberg (Landkreis Nordwestmecklenburg), Mecklenburg-Vorpommern

Weitere Informationen zur Deponie hier.

Die Akteure:
Handelnde Akteure im Konflikt um die drohenden Asbestmülltransporte sind

weitere Dokumente und Materialien finden Sie hier.