„Bäume in der Kulturlandschaft“
Güstrow, 4. November 2010
Auswertung
Die jährlichen Fachtagungen des BUND zum Thema Baum- und Alleenschutz sollen neben den wissenschaftlichen Beiträgen auch ganz besonders Raum für Diskussionen und Erfahrungsaustausch zwischen allen Verantwortlichen auf diesem Gebiet bieten. Das ist uns, denke ich, auch in diesem Jahr wieder gelungen und fand einen guten Anfang in dem Grußwort des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Till Backhaus. Seine Aussage, eine Änderung des Alleenerlasses geht nicht ohne sein Ministerium und ohne Beteiligung der Verbände, war ein klares Bekenntnis zu einer Weiterführung eines erfolgreichen Schutzes der Alleenlandschaft in unserem Bundesland.
Mit dem Vortrag von Chantal Pradines, der den Alleenbericht für den Europarat zum Inhalt hatte, wurde die Bedeutung unserer Alleenpolitik auch überregional deutlich.
Chantal Pradines führte uns die vielen Vorzüge für eine Schutz und Erhalt der Alleen vor Augen, der oft nicht finanziell bewertet wird. Sie empfahl, den Vermögenswert der Alleen in den öffentlichen Etats auszuweisen. Mit der Methode „Koch“ hat sie einen mittleren Wert von 1 Million Euro per Kilometer für eine doppelte Reihe von gut gewachsenen Bäumen mit einem mittleren Abstand von 12m in der Reihe errechnet. Dazu sollte man noch den Beitrag zur Luftsanierung einrechnen können, sowie den Beitrag zur Artenvielfalt und den historischen und kulturellen Wert. Sicher ein gutes Argument, das wir in den nächsten Diskussionen mit aufgreifen werden.
Die Notwendigkeit eines gesetzlichen Schutzes für Einzelbäume und Alleen, wie Chantal Pradines für alle europäischen Länder empfiehlt, ist in Mecklenburg-Vorpommern weitgehend gegeben. Mit dem verfassungsmäßigen Schutz der Alleen, dem Schutz der Alleen und einiger Bäume durch das Naturschutzausführungsgesetz, dem Alleen- und dem Baumschutzkompensationserlass und dem Alleenfond ist Mecklenburg-Vorpommern beispielhaft. Die Erfolge im Alleenschutz und der Neupflanzung von Alleen werden auch von unseren Nachbarländern wahrgenommen. So hatten wir in diesem Jahr zum ersten Mal Gäste aus Polen und Schweden als Tagungsteilnehmer. Im Frühjahr konnten wir Alleenfreunde aus der Tschechei begrüßen. Das zeigt aber auch unsere Verantwortung, wie auch Chantal Pradines betonte. Sie wies darauf hin, dass jetzt ganz Europa die Augen auf Mecklenburg-Vorpommern gerichtet hat - denn was hier erreicht wird, ob positiv oder negativ, wird sich irgendwie auch auf die anderen Ländern auswirken.
Schon im letzten Jahr hatten wir in einem beeindruckenden Vortrag von Stephan Gürlich über die Bedeutung insbesondere alter Alleebäume für spezielle Käferarten gehört. In diesem Jahr wurden der Lebensraum Baum für Fledermäuse von Sandra Möller und Axel Griesau, BUND Neubrandenburg, für alle sehr anschaulich und im wahrsten Sinne des Wortes lebendig dargestellt, denn auch eine lebende Fledermaus wurde zum Akteur in dem Vortrag.
Die Botschaft, die von allen verstanden werden muss heißt, alte Bäume mit Höhlungen sind für diese Tierarten überlebenswichtig. Solche Bäume findet man kaum in unseren wirtschaftlich genutzten Wäldern sondern fast ausschließlich in alten Parkanlagen und Alleen. Ein kurz- oder mittelfristiger Ersatz für gefällte alte Bäume ist also nicht möglich. Deshalb ist es so wichtig, auf den Erhalt dieses alten Baumbestandes zu achten und dafür zu sorgen, dass dieser auch im Falle einer Baumaßnahme erhalten bleiben kann.
Der Beitrag von Thomas Kowol, Institut für Baumpflege Hamburg, „Leitungsbau in Städten und Alleen – eine Gefahr für unsere Bäume“, hatte genau dieses Problem zum Thema. Viele Schäden im Bereich von Wurzeln hätten vermieden werden können und viele Bäume würden heute noch stehen, wäre in den vergangenen Jahren auf die Einhaltung von bestehenden Vorschriften für das Bauen im Wurzelbereich von Bäumen geachtet worden und hätte man solche erfahrenen Spezialisten für die Bauüberwachung vor Ort gehabt. Auf eine sehr anschauliche Weise und an praktischen Beispielen zeigte Thomas Kowol, dass es mit einer richtigen Planung der Baumaßnahme, eingeschlossen einer Suchschachtung im Bereich der Wurzeln, einer darauf basierenden konkreten Auftragsbeschreibung und Ausschreibung, einer klaren Einweisung auf der Baustelle und einer konsequenten Bauüberwachung möglich ist, im Bereich von Wurzeln zu bauen, ohne verheerende nachhaltige Schäden an den Bäumen zu verursachen.
Bäume im städtischen Bereich haben oft einen sehr begrenzten Standort mit verdichtetem Boden und schwankendem Wasserhaushalt. Durch die Veränderung der klimatischen Bedingungen ist nach Aussage von Experten mit einer Zunahme von extremen Wetterverhältnissen wie längeren Trockenperioden oder extremer Nässe zu rechnen. Die Lebensbedingungen für die Bäume könnten sich also noch verschlechtern. Viele Forschungsprojekte haben sich deshalb die Aufgabe gestellt, Möglichkeiten für eine Verbesserung der Standortverhältnisse von Bäumen im städtischen Bereich zu finden und diese den sich verändernden Bedingungen anzupassen. Eine Möglichkeit, wie man eine Baumstandortoptimierung mit Regenwasserbewirtschaftung erreichen kann, wurde uns von Christoph Bennerscheidt vorgestellt. Sein Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen hat sich an Projekten beteiligt, die die Nutzung von verschiedenen Substraten im Zusammenhang mit der Nutzung von Regenwasser für die Bewässerung von Straßenbäumen als Aufgabenstellung hatten. Es wurden praktische Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, das Regenwasser von Dachflächen und auch von Geh- und Radwegen in den Wurzelraum einzuleiten, dort zu speichern und überflüssiges Wasser zu versickern. Die Schaffung von Wurzelräumen in Kombination mit der Nutzung von Regenwasser zur Bewässerung von Bäumen kann somit als Maßnahme zum Rückhalt, zur Versickerung und zur Nutzung von Regenwasser vor Ort angesehen werden.
Der BUND wird in Zukunft verstärkt auf die Anwendung solcher Maßnahmen im städtischen Bereich drängen und ist auch weiterhin an praktischen Beispielen und Informationen über Weiterentwicklungen interessiert.
Bei allen Maßnahmen zu Schutz der Bäume werden wir immer wieder in die Situation kommen, dass Bäume gefällt werden müssen. Dank der bestehenden Gesetze sind diese in Mecklenburg-Vorpommern zu ersetzen. Es reicht aber nicht, Bäume zu pflanzen. Man muss sie auch zu Straßenbäumen „erziehen“ und das über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren. Deshalb sind für die Neuanlage von Alleen zwei wesentliche Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen gilt es, die Eigentumsverhältnisse für einen Landerwerb zu regeln, zum anderen werden Mittel zur Erhaltung, Pflege und Neupflanzung benötigt. Wie beides in den Bodenordnungsverfahren versucht wird zu ermöglichen, erläuterte Romuald Bittl, Abteilungsleiter integrierte ländliche Entwicklung im Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, in seinem Vortrag „Baumpflanzung an untergeordneten Straßen eingebunden in Bodenordnungsverfahren“. Flächenerwerb durch die Gemeinden zur Anpflanzung einer Allee ist aufgrund der prekären finanziellen Lage in den Gemeinden häufig nicht möglich. Ein Bodenordnungsverfahren ist geeignet, vorausschauend durch Kauf, Flächentausch und Vereinbarungen, Flächen für eine Neuanpflanzung bereitzuhalten aber auch Flächen für einen ackerseitigen Schutz entlang bestehender alter Alleen zu erwerben. Voraussetzung dafür ist eine konstruktive Zusammenarbeit und eine frühzeitige Integration von Gemeinden, privaten Eigentümern vor allem Landwirten, Behörden, Verbänden und Institutionen in die Planung. Landwirtschaft, zweckmäßige Wegeerschließung und Alleebäume müssen keine unversöhnlichen Gegensätze sein!
Der Vortrag von Bernd Sievers, Referent Alleen im Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern, zur Alleenentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern zeigte die Probleme aber auch Erfolge in Mecklenburg-Vorpommern. Gemäß der seit 1996 geführten Statistik wurden im Zeitraum von 1996 bis 2009 51.979 Alleebäume gefällt, das heißt 31% des alten Alleenbestandes gingen in nur 13 Jahren verloren! Dagegen stehen nach Aussage von Bernd Sievers die Pflanzung von 86.732 Bäumen im genannten Zeitraum, was einem Baumersatz im Verhältnis von 1 : 1,7 entspricht. Das heißt, dass 38 % der heute 2048km Alleen an Bundes- und Landesstraßen Neuanpflanzungen sind!
Dem BUND ist jedoch bekannt, dass von den Straßenbauämtern eingeschätzt wird, dass bei den Neuanpflanzungen ein Verlust von 10%-20%, der nicht ersetzt wurde, als realistisch angesehen werden muss. Das bedeutet, dass bis zu 17.350 Bäume von den Neuanpflanzungen heute nicht mehr stehen und somit eine bereinigte Zahl von etwa 69.400 jungen Alleebäumen an Bundes- und Landesstraßen angenommen werden muss, was einem Verhältnis von 1 : 1,3 entspricht. Fakt ist auch, dass in einigen Kreisen große Pflanzdefizite bestehen
Bernd Sievers betonte, dass die Landesregierung in den Straßen ihrer Baulastträgerschaft das Rückgrat des Alleennetzes sieht und um einen langen Erhalt der Alleebäume bemüht ist. Die notwendigen Fällungen von Alleebäumen an Bundes- und Landesstraßen sollen für die Verjüngung der vorhandenen Strecken und für eine Erweiterung des Alleennetzes genutzt werden.
Mit dem Wissen, dass aufgrund der Abstandsregelung zur Straße das Pflanzen an Bundes- und Landesstraßen oft nur mit Landkauf möglich ist, sieht der BUND ein großes Problem für den Erhalt der Alleen an diesen Straßen. Durch die Abkehr vom derzeit gültigen Alleenerlass und eine Kompromisslosigkeit in Bezug auf die Abstandregelung bei Landesstraßen befürchtet der BUND einen dauerhaften Verlust der Alleen an diesen Straßen.
Deshalb ist uns eine Beteiligung an der Überarbeitung des Alleenerlasses und der Neufassung des Alleenfonds wichtig.
Katharina Brückmann
Referentin Baum- und Alleenschutz
BUND Mecklenburg-Vorpommern