Fachtagung 2011 „Bäume in der Stadt - Erhaltung, Pflege, Förderung“
Große Beteiligung aus allen Landkreisen
Keine Aussagen zu Masterplan und Alleenentwicklungskonzept durch das Verkehrsministerium
Aus allen Landkreisen, aus allen Straßenbauämtern, aus Stadtverwaltungen und von Straßenmeistereien, Mitglieder der Landtagsfraktionen von SPD, der LINKEN und von Bündnis 90 die Grünen, viele ehrenamtliche Baumschützer und Alleenpaten, Landschaftsarchitekten, Gäste aus benachbarten Bundesländern und aus Polen nahmen an der 7. Fachtagung des BUND Mecklenburg-Vorpommern teil.
Der Teilnehmerrekord zeigt, dass nach wie vor ein großes Interesse und ein großer Wissensbedarf bei den Themen Erhalt, Pflege und Neuanpflanzung von Bäumen sowie den gesetzlichen Regelungen bestehen.
Nicht nur beim Veranstalter, auch bei den Gästen war deshalb die Enttäuschung über die Absage des Verkehrsministeriums, zur Neufassung des Masterplanes „Alleenentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern“, über den überarbeiteten Alleenerlass und die zukünftige Verwendung der Mittel aus dem Alleenfond zu berichten, sehr groß. Seit mehr als zwei Jahren wird im Verkehrsministerium an diesen Regelwerken gearbeitet. Aber man ist noch nicht so weit und befindet sich noch in der interministeriellen Erörterung, so die Erklärung aus dem Ministerium. Nicht nur die Verbände finden diese jahrelange Heimlichtuerei unerträglich und inakzeptabel. Auch die Mitarbeiter in den Behörden warten dringend auf Information. Das wurde auf der Tagung des BUND sehr deutlich.
Die Erklärung des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Till Backhaus in seinem Grußwort an die Tagung, er steht uneingeschränkt zu den derzeit gültigen Regelungen des Alleen- und Baumschutzes und zum Alleenfond, wurde begrüßt.
Der BUND betont, dass der Erhalt und die Weiterentwicklung der Alleenlandschaft unser gemeinsames Interesse ist. Es kann nicht sein, dass nur wenige Leute darüber im Alleingang entscheiden wollen und jeder Versuch einer Beteiligung durch das Verkehrsministerium im Keim erstickt wird.
Zentrales Thema dieser Tagung waren die Bäume in der Stadt. Es wurde über Anwendung, Grenzen und Mängel geltender Gesetze, den Baumschutz betreffend, diskutiert. Frau Dr. Hagemann zeigte in ihrem praxisnahen und motivierenden Vortrag Möglichkeiten auf, wie man ökonomisch und mit Weitsicht Bäume in Wohnsiedlungen integrieren, erhalten und pflegen kann.
Sehr deutlich wurde, dass der Pflege der Neuanpflanzungen viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Dafür brauchen wir qualifiziertes Personal und natürlich auch finanzielle Mittel. Deshalb wurde ein Beitrag von Prof. Dr. Dirk Dujesiefken über die Jungbaumpflege und wie man sie so organisieren kann, dass sie dem Baum nicht schadet und auch noch finanziell optimal organisiert werden kann, von den Teilnehmern der Tagung sehr hoch bewertet.
Landwirtschaft und Alleenschutz muss kein unlösbarer Konflikt sein. Ein gemeinschaftliches Projekt von Landwirtschaftsministerium, Ingo Lehmann, und dem Verein Insula Rugia e.V., Annette Groß, zu Neuanpflanzungen von Alleen an untergeordneten Straßen auf Rügen zeigt, dass mit vorausschauender Planung zum Beispiel über Flurneuordnungs- oder Bodenordnungsverfahren, den Ökopool, Gespräche mit den Landeigentümern und Einsicht Raum für das Pflanzung von Alleen und auch ein nachhaltiger ackerseitiger Schutz möglich ist. Eine etwa 1 km lange Alleen im nördlichsten Bereich der Insel, in Putgarten, wurden so bereits gepflanzt – andere sollen folgen.
Jeder, der mit der Pflege von Alt-und Jungbäumen und mit dem Anpflanzen von Alleen beschäftigt ist, weiß, dass die Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung des Bestandes ein vorausschauendes Planen und Kalkulieren ist. Deshalb wurde durch die UmweltPlan GmbH Stralsund im Auftrag des ehemaligen Landkreises Mecklenburg-Strelitz (jetzt Teil des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte) ein Alleenentwicklungskonzept für alle Straßenkategiorien erarbeitet. Diese Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Straßenbauamt ist bisher einmalig. Finanziert wurde das Konzept aus dem Alleenfond und vom Straßenbauamt Neustrelitz. Ziel des Konzeptes war eine Analyse der Handlungspotentiale für die nächsten Jahre, eine Vereinheitlichung der Herangehensweise aller Straßenbaulastträger und die Erarbeitung praxisnaher Hinweise für die Bestandspflege und Neuausweisung von Pflanzungen. Dafür wurden 1700 km Straße untersucht.
Die Analyse des Bestandes hat gezeigt, dass etwa 63 % ( 276 km) der Bundes- und Landesstraßen mit Alleebäumen bestanden sind, davon sich nur etwa 17 % der Bäume in der Jugendphase aber 80 % in der Alterungsphase befinden. Bei den Kreis- und Gemeindestraßen (232 km Alleen) gehören etwa 40 % zum Jungbaumbestand und 50 % zu den Bäumen der Alterungsphase wobei sich die Neuanpflanzungen in einem schlechten Pflegezustand befinden. Diese Zahlen machen die enormen Anstrengungen deutlich, die nötig sind, will man den Alleenbestand erhalten.
Zu den Maßnahmen gehört die Pflege des Altbaumbestandes, um ihn möglichst lange zu erhalten. Wichtig ist die Reduzierung des Schadstoffeintrages insbesondere von Auftausalz und die Vermeidung von Schäden im Baumbereich, insbesondere bei Bauarbeiten. Unerlässlich ist die regelmäßige Pflege nach ZTV-Baumpflege.
Eine besonders hohe Priorität muss die Pflege des Jungbaumbestandes haben. Der Ausfall bei diesen bereits getätigten Investitionen ist mit mehr als 20 % erschreckend hoch. Einige Anpflanzungen gingen komplett verloren. Nötig sind neben einer sorgsamen Auswahl der Baumart die fachlich kompetenten Ausführung der Pflanzung und Pflege und eine sorgsame, verletzungsfreie Mahd der Böschungen und Bankette.
Das Konzept enthält weiterhin Empfehlungen für neue Pflanzstrecken. Diese Neuausweisungen richten sich insbesondere nach der Geländestruktur, wie Wälder und Niederungen, Vogelrastgebiete und das Vorhandensein von Parkanlagen. Neben Abschnittslänge, Zeitpunkt der Umsetzung (kurz-, mittel- und langfristig) gibt es Angaben zu Baumart, Baumanzahl, Abstand der Baumreihe zur Fahrbahnkante, Angaben zum sichtbaren Leitungsbestand und Fotos zu jedem Abschnitt.
An Bundes- und Landesstraßen ist das Pflanzen von 25 km Alleen/Baumreihen an bisher unbepflanzten Straßenabschnitten und von 25 km an kurz- bis mittelfristig abgängigen Baumreihen und Alleen vorgesehen.
Dagegen konnten etwa 100 km Kreis- und Gemeindestraßen für Neuanpflanzungen ausgewiesen werden. Hier werden nur etwa 10 km als Ersatz für abgängige Alleen gepflanzt.
Die Linde ist mit fast 60 % des gesamten Baumbestandes die überaus dominierende Baumart in diesem Teil Mecklenburg-Vorpommerns. Gleichmäßig mit jeweils etwa 10 % sind Ahorn, Kastanie und Obstbäume vertreten. Pappeln, Birken und Eschen teilen sich die restlichen 10 %.
Bei den vorgeschlagenen Baumarten war eine Verbesserung der Artenvielfalt bei gleichzeitiger Vermeidung einer Verfremdung der Landschaft das Ziel.
Für die Kreis- und Gemeindestraßen wurden deshalb besonders kleinkronige Baumarten, wie Obstbäume, Mehlbeere und Eberesche aber auch Kopfweiden vorgesehen.
An Bundes- und Landesstraßen sollten weiterhin Linde, vermehrt auch Eiche, Ahorn, Birke, Hainbuche, Kastanien, Ulmen und Robinie gepflanzt werden. Da es in Mecklenburg-Strelitz sehr viele Kiefernwälder gibt, wurde hier sogar das Pflanzen von Kiefernalleen in Betracht gezogen.
Die Finanzierung der Neuanpflanzungen könnte vor allem über noch nicht realisierte Ausgleichsmaßnahmen des Straßenbauamtes Neustrelitz erfolgen. Das Straßenbauamt würde auch die Finanzierung der langfristigen Pflege sichern.
Das große Pflegedefizit müsste mit Hilfe des Alleenfonds abgearbeitet werden. Es wird dringend auf eine politische Entscheidung zu diesem Thema gewartet. Laut Alleenerlass muss derzeit für jede Fällung in einer geschlossenen Allee in einem Verhältnis von 1 : 3 nachgepflanzt werden. Eine neue Regelung könnte eine Ersatzpflanzung von 1 : 1 und die Zahlung des restlichen Betrages für die Pflege in den Alleenfond fordern.
Für die Zukunft erhoffen wir uns eine Nutzung des Alleenkonzeptes und die laufende Fortschreibung der Karten und Tabellen durch alle zuständigen Straßenbaulastträger sowie eine Ausweitung des Konzeptes auf den neuen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Das Konzept müsste außerdem durch eine Aufstellung der Kosten für Pflanzung und Pflege des Jungbaumbestandes, eine Auflistung des zu sanierenden und zu pflegenden Jungbaumbestandes (mit Angabe der Dringlichkeit) und die Erstellung einer konkreten Ausführungsplanung für die ausgewiesenen Alleenabschnitte konkretisiert werden.
BUND, NABU, Rüganer und Touristen nutzten außerdem die Tagung, um ihren Protest gegen den geplanten Ausbau der B 96 auf Rügen im Abschnitt Ralswiek – Strüssendorf Nachdruck zu verleihen.
Wer im Moment nach Rügen fährt, findet sich auf einer Baustelle wieder. Eine dreispurige Asphaltpiste mit riesigen Kreuzungsbauten wird neben der bestehenden B 96 gebaut. Auf der in Teilen noch idyllischen Insel soll es in Zukunft mit dem Auto schnell vorwärts gehen. Während alternative Verkehrskonzepte gar nicht in Betracht kommen, gehen die Pläne für Straßenausbauten weiter. Auch der Straßenabschnitt B 96 zwischen Ralswiek und Strüssendorf soll verbreitert und eine Seite der Allee gefällt werden. Aber es gibt Wiederstand. Mehr als 1600 Unterschriften gegen den Ausbau und die Baumfällungen wurden in kürzester Zeit gesammelt und auf dieser Tagung dem Minister Dr. Till Backhaus mit der Bitte übergeben, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Fällungen der Bäume zwischen Strüssendorf und Ralswiek zu verhindern.
Die Unterschriftenlisten sollten dem Vertreter des Verkehrsministeriums übergeben werden Leider hat sich dieses Ministerium nicht nur geweigert, zu informieren, sie sind gar nicht zu der Tagung gekommen, um jegliche Rechenschaft zu umgehen.
Für Rückfragen:Katharina Brückmann, Referentin Baum- und Alleenschutz BUND-M-V