BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


Ostseepipeline Nordstream

Die Ostseepipeline wird wesentlich umweltverträglicher gebaut als ursprünglich geplant. Die Umweltorganisationen BUND und WWF konnten eine Reihe von entscheidenden ökologischen Nachbesserungen gegenüber der Nord Stream AG durchsetzen. Die Betreiber garantieren, zusätzliche Naturschutzmaßnahmen beim Bau der Erdgasleitung umzusetzen. Zudem werden die Gelder für Kompensationsmaßnahmen für Naturschutz und deren Unterhaltung um mehr als zehn Millionen Euro aufgestockt.

Hintergrundinformationen zur Ostseepipeline

Die geplante Erdgaspipeline Nord Stream ist das größte technische Bauwerk, das in der Ostsee bisher errichtet wurde. Für die Gasleitung werden zwei 1.220 Kilometer lange Stränge parallel auf dem Ostseegrund verlegt, diese bestehen aus 200.000 Stahlröhren mit einem Durchmesser von etwa 125 cm. Die Leitung soll Erdgas von den Gasfeldern in Sibirien über das nahe St. Petersburg gelegene Vyborg durch die zentrale Ostsee nach Greifswald in Deutschland befördern. Von dort wird das Gas in Richtung Tschechien und nach Holland weiter transportiert. Man rechnet mit Baukosten in Höhe von 7,5 Milliarden Euro.

Historie
Die erste Machbarkeitsstudie für die Gaspipeline wurde Ende der 90er Jahre erstellt. Im September 2005 unterzeichneten Vladimir Putin und Gerhard Schröder einen Vertrag zur Realisierung des Projektes. Die eigentlichen Planungen begannen mit dem Zusammenschluss eines Projektkonsortiums aus dem russischen Energiekonzern Gazprom (51 Prozent), den deutschen Konzernen Eon und BASF/Wintershall (je 20 Prozent) und der niederländischen Gasunie (9 Prozent) zu dem Unternehmen Nord Stream AG mit Sitz im schweizerischen Zug. Seit 2006 wurden die Planungen mit dem Ziel vorangetrieben, bereits 2010 das erste Gas durch die erste Röhre nach Deutschland zu liefern. Die umfangreichen Genehmigungsverfahren und die international abgestimmten Umweltuntersuchungen führten zu einer erheblich längeren Planungsphase. Nach derzeitigen Planungen soll 2011 das erste Gas durch die Pipeline fließen. Das zwischen der deutschen und russischen Regierung eingefädelte Projekt war politisch umstritten und stößt vor allem in Polen und den Baltischen Staaten auf erheblichen Widerstand.

Umweltaspekte der Pipeline
Als Vorzugsroute der Pipeline wählten die Betreiber den Meeresgrund der Ostsee. Die gewählte Variante stößt jedoch nicht nur technisch auf erhebliche Herausforderungen. Der Betriebsdruck ist z.B. doppelt so hoch wie bei Landleitungen. Zudem gilt es große Geländeunterschiede am Meeresgrund zu überwinden. Militärische Spreng- und chemische Kampfstoffe im Meeresboden erschweren die Arbeiten ebenso wie große sauerstofffreie Zonen sowie ein chemisch aggressives Milieu am Meeresgrund (H2S).
Die äußerst sensible Umwelt der Ostsee und die starken Vorbelastungen machen dieses Projekt auch aus Umwelt-und Naturschutzsicht zu einer Herausforderung. Gefahren der Beeinträchtigung von Meeressäugern, Fischen, Vögeln und Pflanzenbeständen der verschiedenen Teilregionen der Ostsee sind offensichtlich. Dies machte eine äußerst gründliche Umweltprüfung nach höchsten europäischen Standards unumgänglich. Ab 2006 wurde eine international abgestimmte Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Regeln der sog. Espoo-Konvention durchgeführt, an der nicht nur die unmittelbar betroffenen Staaten (Russland, Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland), sondern auch alle anderen Ostseeanrainer beteiligt wurden. Zusätzlich fanden von 2006 bis 2009 die nationalen Genehmigungsverfahren statt. Das WWF Ostseeprogramm befasst sich seit 2006 intensiv mit der Pipelineplanung unter Umwelt-und Naturschutzaspekten und erarbeitete, koordiniert von WWF Deutschland, Stellungnahmen, Anforderungen an die Umweltuntersuchungen und Auswertungen der umfangreichen mehrere Tausend Seiten starken Planungsunterlagen. Es wurden neben einer international abgestimmten Position nationale Stellungnahmen in vier betroffenen Ländern eingebracht, sowie Fachgutachten erarbeitet und in den Prozess eingebracht. In Deutschland beteiligte sich der BUND an den Genehmigungsverfahren, sowie international der Zusammenschluss von Umweltverbänden in der „Coalition Clean Baltic“.

Position von BUND und WWF
Nachdem anfänglich die Routenführung und die Prüfung der grundsätzlichen Option für eine Landroute der Pipeline u.a. durch Polen wichtige Forderungen waren, konzentrierte sich die Position nach Vorliegen der Umweltstudien darauf, bei einer Realisierung der Pipeline in der Ostsee Umweltgefährdungen auszuschließen. Wo dies nicht möglich ist, sollen die Schäden der Ostsee soweit ausgeglichen werden, dass in der Bilanz von Eingriff und Kompensation der Schaden für die Ostseeumwelt nicht größer ist als ohne die Pipeline. Zudem muss es eine penible unabhängige Umweltüberwachung und Dokumentation der Auswirkungen geben und im Schadensfall durch das Unternehmen ein Ausgleich garantiert werden. Der Bau einer Gaspipeline wurde dabei nie gänzlich ausgeschlossen, da die Alternative – Gasverflüssigung und Transport mit Flüssiggastankern über die Ostsee - zu einer erheblichen Verschärfung des Schiffsunfallrisikos auf der ohnehin äußerst stark befahrenen Ostsee führen würde.

Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfungen
Im Frühjahr 2009 wurden die Ergebnisse der sehr umfangreichen Umweltuntersuchungen durch Nord Stream in den fünf beteiligten Ländern vorgelegt. Es wurden einige Optimierungen der Route vorgenommen. Allerdings wurden auch nicht vermeidbare Beeinträchtigungen in verschiedenen Pipelineabschnitten festgestellt. Diese betreffen vor allem Veränderungen des Meeresbodens durch Einebnen oder Aufschütten von Material, Eingraben der Pipeline (Deutschland, Russland), Gefahren durch Sprengung von Minen (Finnland, Russland), und Verklappen von überschüssigem Bodenaushub im Meer, sowie Beeinträchtigungen der Landlebensräume in den Anlandungsbereichen. Als äußerst gravierend stellt sich der Eintrag von etwa 12.000 Tonnen Phosphat und 52.000 t Stickstoff aus den Meeresablagerungen im Boden in die Wassersäule heraus, die dazu führen können, dass sich das zentrale Problem der Ostsee, - die Überdüngung - weiter verschärft. Weitere Aspekte sind Remobilisierung von Schadstoffen aus dem Meeresgrund in Russland, Eintrag von Reinigungsflüssigkeit aus dem Pipelinetest in Russland, sowie die Folgen der Munitionssprengungen. Als kritischster Bereich hat sich der deutsche Pipelineabschnitt herausgestellt, wo die größten Streckenabschnitte im Boden eingegraben werden und wo Meeresnaturschutzgebiete durchquert werden. WWF und BUND haben in ihren Stellungnahmen in den Genehmigungsverfahren vorgebracht, dass die Auswirkungen auf die Naturschutzgebiete und auf Seegraswiesen, Fischlaichgründe und Vogelnahrungshabitate sehr viel schwerwiegender sind, als von Nord Stream dargestellt. Entsprechend müssten bei einer Genehmigung der Planung umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angeordnet werden, wenn das Projekt genehmigungsfähig werden sollte. Kritische Bereiche waren der Greifswalder Bodden, die Boddenrandschwelle und die Flachwassergebiete in Deutschland.

Genehmigungen
Zum Ende des Jahres 2009 wurden in Dänemark, Schweden, Finnland, Russland und Deutschland die Genehmigungen erteilt. Die letzte von Finnland am 10. Februar 2010. Die Genehmigung des Planfeststellungsbeschlusses des Bergamtes Stralsund für die deutschen Hoheitsgewässer erklärte die Einwände von Umweltbehörden und Verbänden als nicht erheblich und wies diese in fast allen Punkten zurück. Im Beschluss erklärte man sich einverstanden, dass die Pipeline so errichtet wird, wie vom Antragsteller beantragt. Es wurden zwar Beeinträchtigungen der Ostseenatur bestätigt, diese jedoch als nicht erheblich eingestuft. Man teilte auch die Einschätzung des Unternehmens, dass eine Kompensation von Naturschutzwerten im Meer nicht möglich sei und verordnete eine Ersatzgeldzahlung von 3,6 Mio. Euro, um den nicht durch Ersatzmaßnahmen gedeckten Umweltschaden – etwa 62 Prozent der Eingriffe - zu kompensieren. Die Kosten für die angeordneten Ersatzmaßnahmen an Land belaufen sich für den 38 Prozent -Anteil auf 7,2 Mio. Euro. Darauf entschieden BUND und WWF gemeinsam, den Planfeststellungsbeschluss rechtlich anzufechten und reichten im Januar, bzw. am 4. Februar 2010 entsprechende Klagen zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses beim OVG Greifswald ein.

Pressemitteilung vom 23. April 2010

Weitere Informationen:

Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND Mecklenburg-Vorpommern e. V.,           T.: 0385-521339-12, Fax: 0385-521339-20, corinna.cwielag@bund.net

Jochen Lamp, Leiter WWF Ostseebüro , WWF Deutschland, Tel.: 03831 297018, Fax: 03831-297599, lamp@wwf.de

Quelle: http://archiv.bund-mecklenburg-vorpommern.de/themen_und_projekte/ostseeschutz/ostseepipeline/