Erklärung des BUND zu den Vorwürfen in mehreren Medienbeiträgen, zuletzt im Beitrag des NDR-Fernsehens "Tauschgeschäfte - Umweltverbände verraten Ideale" (23.08.2011, 21:15 Uhr)
Der BUND ist und bleibt unbestechlich!
Mit Medienbeiträgen wurden in den vergangenen Monaten Vorwürfe u.a. gegen BUND laut, Umweltverbände würden ihre Ideale verraten und Klageverfahren gegen die Zahlung größerer Geldsummen einstellen.
Dazu erklären wir:
Der BUND hat sich, wie die anderen genannten Umweltorganisationen auch, Transparenz- und Verhaltensregeln für den Umgang mit Firmenspenden und für die Kooperation mit Firmen insgesamt gegeben. Bereits auf dieser Grundlage ist eine Millionenspende eines Unternehmens wie Gasprom an den BUND ausgeschlossen. Das trifft auf Tochterunternehmen wie den Gaspipelinebetreiber Nord Stream AG oder konsortional verbundene Unternehmen, die z. B. in der Atomwirtschaft aktiv sind, in gleicher Weise zu. Eine Spende von Gasprom oder verbundenen Unternehmen an den BUND hat es nicht gegeben und wird es nicht geben.
Richtig ist aber, dass sich der BUND Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit dem WWF jahrelang sehr intensiv für eine Eingriffsverringerung und einen angemessenen Ausgleich für die Errichtung der Nordstream-Erdgaspipeline durch die Ostsee eingesetzt hat. Eine Verhinderung des Projektes war nie das Ziel der Umweltverbände, denn ohne die Pipeline wäre es zu einem drastischen Anstieg des Schiffsverkehr mit Flüssiggas auf den heute bereits stark befahrenen Ostseerouten gekommen. Zudem wird Erdgas in allen Ausstiegsszenarien aus der Atom-und Kohleverstromung als umweltfreundlichere Übergangsalternative angesehen.
Anlass unseres rechtlichen Engagegements in Sachen Ostseepipeline war eine skandalöse Genehmigung, die das verfahrensführende Bergamt Stralsund erlassen hat. Die dem Wirtschaftsministerium des Landes unterstellte Behörde blieb mit ihrem Genehmigungsbescheid im Hinblick auf die Baumaßnahmen und die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen weit hinter den aus Sicht der Umweltorganisationen notwendigen naturschutzfachlichen Auflagen zurück. Im Interesse der betroffenen Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräume war demnach eine Klage des BUND und des WWF gegen diese Entscheidung unausweichlich.
Ziel war von Anfang an, das inaktzeptable Vorgehen der Genehmigungsbehörde nach dem Motto "was unter Wasser geschieht, sieht keiner und es muss deshalb auch nur pro forma ausgeglichen werden" zu durchkreuzen. Auch unterseeische Lebensräume sind schützenswert und spielen für das Meeresökosystem eine wichtige Rolle.
BUND und WWF haben mit umfangreichen und aufwändigen Gutachten belegt, dass die Einschätzung der Genehmigungsbehörde fehlerhaft war. Es zeichnete sich ab, dass seitens des Gerichtes zusätzliche Untersuchungen gefordert und weitere Auflagen erteilt worden wären. Den Investoren der Nord Stream drohte eine einjährige Verzögerung des Baustarts. In dieser Situation trat Nord Stream an BUND und WWF heran und bot wesentliche Änderungen bei der Bauausführung und eine zusätzliche Kompensation an. Mit so genannten Planänderungsanträgen zu Bau und Betrieb der Pipeline, die zusätzliche Schutzmaßnahmen verbindlich machen, wollte Nord Stream zur Abwehr einer drohenden Bauverzögerung das Schutzniveau der Ostsee deutlich verbessern. In intensiven Verhandlungen zwischen den Experten der Umweltorganisationen und Nord Stream musste das Unternehmen seine Ausgleichsmaßnahmen an der deutschen Ostsee um Maßnahmen im Wert von mehr als 20 Millionen Euro aufstocken.
Beispiele für die zusätzlichen Maßnahmen sind unter anderem ein befristetes Heringsfangverbot und der finanzielle Ausgleich von Fangverlusten der Fischer, die durch die zeitlich begrenzte Beeinträchtigung eines wichtiges Heringslaichgebietes während der Bauphase auftreten. Als weitere Maßnahme muss das anfallende feinkörnige Baggermaterial vollständig an Land verbracht werden, um damit quadratkilometergroße Wassertrübungen mit negativen Einflüssen auf die besonders als Laichbiotope genutzten Seegraswiesen zu vermeiden. Auch mussten zusätzliche Sicherungsvorkehrungen zum Schutz von Schweinswalen und Robben getroffen werden.
Viele Folgen des Pipelinebaus wirken dauerhaft. Und so lag es im Interesse von BUND und WWF, deutlich mehr langfristig wirksame Ausgleichsmaßnahmen durchzusetzen. Dazu zählen zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen im Umfang von 10 Millionen Euro sowie langfristige Verträge mit Flächeneigentümern z. B. für den Seevogelschutz auf bis zu 1000 Hektar Grünland.
Nach diesen vertraglichen Zusagen der Nord Stream AG sahen die Umweltorganisationen ihre naturschutzfachlichen Ziele erreicht und zogen die eingereichte Klage zurück.
Aufgrund der fortgeschrittenen Bautätigkeit war es der Nord Stream AG nicht möglich, die zusätzlichen Naturschutzmaßnahmen kurzfristig umzusetzen, da entsprechende Flächen kaum verfügbar waren und Genehmigungsprozesse viel Zeit in Anspruch nehmen. Um die komplexen Maßnahmen auch für die Natur möglichst wirkungsvoll umzusetzen und dauerhaft zu sichern, hat Nord Stream die vereinbarten Kompensationsmittel im März 2011 für die Gründung der Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee (Ostseestiftung) bereitgestellt. Mit der Ostseestiftung ist es möglich, geeignete Projekte fachlich fundiert und mit großer Sachkompetenz zu entwickeln, zu unterstützen und umzusetzen und damit auch die durch die Ostseepipeline verursachten Schäden wirkungsvoll auszugleichen.
Die gemeinnützige Ostseestiftung agiert unabhängig von der Stifterin und ist allein ihren satzungsgemäßen Zielen, der Förderung praktischer Natur- und Umweltschutzmaßnahmen an der Ostsee, verpflichtet. Damit mit diesen Mittel tatsächlich sinnvolle Naturschutzarbeit umgesetzt wird, wirken der WWF, der NABU sowie der BUND ehrenamtlich in den Gremien der Stiftung mit. Über all diese Vorgänge haben der BUND Mecklenburg-Vorpommern und der WWF öffentlich informiert, so z.B. mit dieser Meldung vom 23.04.2010.
Der BUND Mecklenburg-Vorpommern muss immer dann den rechtlichen Weg beschreiten, wenn es im Genehmigungsprozess für ein Vorhaben zu Versäumnissen der Genehmigungsbehörden kommt, die letztlich zu rechtswidrigen und schweren Schäden an Natur, Landschaft und menschlicher Gesundheit führen würden. Wir wären sehr daran interessiert, wenn Versäumnisse in Genehmigungsverfahren nicht über den Klageweg sondern durch intensive fachliche Diskussionen mit personell starken, fachlich kompetenten und gemäß ihres gesetzlichen Auftrags durchsetzungsfähigen Umweltverwaltungen verhindert werden könnten. Es ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll, wenn Behörden Genehmigungsbescheide mit Rechts- und Verfahrensfehlern erlassen und die Verantwortung für die Herstellung von Recht und - wie im Fall der Ostseepipeline - für die Umsetzung von fachlich sinnvollen Ausgleichsmaßnahmen den Umweltverbänden überlassen. Eine öffentliche Diskussion über diese Zusammenhänge begrüßen wir.
Genauso interessiert sind wir an einer Diskussion über die im deutschen Naturschutzrecht übliche Eingriffs-/Ausgleichsregelung, die nach zahlreichen gesetzlichen Abschwächungen jede unsinnige und schlimme Naturzerstörung (Eingriff) mehr oder weniger "ausgleichbar" macht. Inzwischen fordern Interessenverbände, dass Vorhabensträger, die in Natur eingreifen, nur noch Ersatzgeld an den Staat zahlen müssen und sich nicht mehr, wie bisher, um sinnvolle Ausgleichsmaßnahmen bemühen müssen. Damit würde die Zahlung für Naturzerstörung an den Staat zum gängigen Prinzip erhoben werden. Vor diesem Hintergrund verwundert es, wenn den Umweltverbänden unterstellt wird, sich kaufen zu lassen.
Im Ergebnis der Auseinandersetzungen mit der Ostseepipeline bewerten wir die erreichte Lösung als Erfolg. Erstmals wurde ein massiver "Eingriff" in unterseeische Lebensräume als problematische Veränderung der Natur wahrgenommen. Dies führte letztlich zu vergleichsweise beispielhaften Ausgleichsmaßnahmen. Aus Sicht des BUND sind damit die Zeiten der kostenlosen Vernutzung von öffentlichen und gesetzlich geschützten Gütern endgültig vorbei. Das gilt seit der Ostseepipeline auch für Vorhaben auf See.
Für weitere Rückfragen stehen wir bei Interesse gerne zur Verfügung.