Gute Nachrichten vom Naturschutzgebiet Neuendorfer Wiek und Insel Beuchel an der Boddenküste Rügens
Faktenblatt, Steckbrief, Chronologie, Exkursionsbericht
Nach den langen Jahren der Auseinandersetzung um den Kiestagebau im Naturschutzgebiet können wir erfreuliche Nachrichten vermelden:
Am 13. September 2013 hat der BUND in Zessin auf Rügen der Naturlehrpfad am Naturschutzgebiet Neuendorfer Wiek eröffnet.
Auf dem Naturlehrpfad, den der BUND mit Hilfe vieler Unterstützer auf den nunmehr eigenen Wegen und Flächen einrichten konnte, stellen wir die Naturschätze des Gebietes vor. Der Naturlehrpfad soll die Hintergründe zum Gebiet mit den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen und die Bedeutung der intakten Lebensräume für den Erhalt der Arten bis zur hart erkämpften Übertragung an den Naturschutz vermitteln. Der Naturerlebnisverein Rügen wird fachlich geführte Wanderungen im Gebiet anbieten. Interessenten können sich beim BUND über Termine informieren.
Wie geht es nun mit dem Naturschutzgebiet weiter?
Unsere Naturschutzfachleute vor Ort kümmern sich jetzt um die möglichst wirkungsvolle Pflege des Gebietes. Die Trockenrasen müssen periodisch beweidet werden. Dazu wurden Pachtverträge mit einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb abgeschlossen. Die Zusammensetzung der Arten muss dabei immer wieder beobachtet werden. Wo nötig, müssen Veränderungen vorgenommen werden.
Die Experten des BUND wollen vor Ort eine größere Bestandsaufnahme machen und daraus einen Entwicklungsplan für die Pflege erstellen, der auch die Waldflächen einschließt. Um möglichst alles aus einem Guss zu erstellen, sollen noch weitere Flächen privater Eigentümern aus dem Gebiet heraus getauscht oder, wenn nötig, gekauft werden. Das Gebiet soll mit entsprechenden Schutz- und Lenkungsmaßnahmen behutsam in ein Wanderwegekonzept der Insel und der Gemeinde einbezogen werden. Dazu arbeiten BUND und Gemeinde eng zusammen. Für störungsarme Beobachtungsmöglichkeiten ist durch den Naturlehrpfad schon gesorgt.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Arbeit vor Ort weiter unterstützen können. Für den weiteren Landkauf und die Betreuung des Naturlehrpfades am NSG auf Rügen sammeln wir Spenden auf folgendes Konto:
Spendenkonto: Konto-Nr. 37 003 3370
Sparkasse Mecklenburg-Schwerin
BLZ: 140 520 00
IBAN: DE36 1405 2000 0370033370 (Kontonummer)
BIC: NOLADE21LWL (Bankleitzahl)
Kennwort: „Rügen“
Für Spenden ab 200 € erstellt der BUND M-V eine offizielle, standardisierte Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt zur Steuerminderung, für Spenden bis 200 € genügt der Einzahlungsbeleg zur Vorlage beim Finanzamt.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND Mecklenburg-Vorpommern, Tel: 0385 521339-0 oder per E-Mail: corinna.cwielag@bund.net
Hintergründe:
Nach mehr als einem Jahrzehnt der Kontroversen um den Kiesabbau ist eingetroffen, was der BUND und die Bürgerinitiative immer wieder vorgebracht haben: Durch die zurückgehende Bautätigkeit ist der Bedarf an Betonzuschlagstoffen auf der Insel Rügen gesunken. Die alten Prognosen des Genehmigungsverfahrens aus den neunziger Jahren sind nicht eingetreten. Der Kiespreis ist soweit gesunken, dass es kaum noch wirtschaftlich war, den Kies auf den wertvollen Naturschutzflächen abzubauen. Das Kiesunternehmen hat deshalb 2011 angeboten, die Flächen auf der Abbaufläche zu verkaufen und sich von den Abbauplänen zurückzuziehen. Der BUND konnte mit Hilfe des Landes und der Stiftung Umwelt und Naturschutz M-V sowie vieler Unterstützer fünf wertvolle Flurstücke, die sich im Naturschutzgebiet und auf der Abbaufläche befinden kaufen. Dafür sagen wir DANKE an alle, die die Rettung bisher unterstützt haben! Wir haben damit die Möglichkeit, das einmalig schöne Gebiet auf Rügen dauerhaft für den Naturschutz zu sichern.
Weitere 12 Flurstücke, insgesamt 7 Hektar im angrenzenden Waldgebiet, konnten 2012 gekauft werden. Die Flächen sind ein unverzichtbarer Mosaikstein des komlipzierten Arten- und Biotopgefüges im Naturschutzgebiet und waren noch im Besitz der Baustoffirma. Sie haben durch den Waldbestand wichtige Funktionen als Windbremse und für das Kleinklima sowie zur Abschirmung von Störungen und beherbergen ganz spezielle Tierarten. Einige knorrige Kiefernköpfe dienen zum Beispiel den Seeadlern als Sitzwarte. Der BUND konnte mit Hilfe viler Unterstützer der Baustoffunternehmen ein Angebot zum Flächenkauf unterbreiten, und so verhindern, dass die 12 Flurstücke an andere Eigentümer verkauft werden.
Einige Flurstücke im Naturschutzgebiet und im Wald gehören noch privaten Besitzern. Der BUND möchte auch diese Flächen noch erwerben und sie in das Naturschutzkonzept einfügen.
Das Naturschutzgebiet "Neuendorfer Wiek und Insel Beuchel" und der Kiesabbau
Das Naturschutzgebiet „Neuendorfer Wiek und Insel Beuchel“ liegt im europäischen Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Nordrügensche Boddenlandschaft“ und im europäischen Vogelschutzgebiet „Binnenbodden von Rügen“. Der BUND wehrte seit Mitte der neunziger Jahre den für 30 Jahre geplanten Abbau von 4,4 Mio. Tonnen Kiessand in diesem Naturschutzgebiet ab.
Im Nordteil der Wiek liegt die seit 1940 als Naturschutzgebiet ausgewiesene Seevogelinsel Beuchel. Die Insel ist wichtiger Teil eines Netzwerkes von Küstenvogelbrutgebieten und beherbergt für mindestens 18 Seevogelarten wichtige Brutvorkommen.
Besonders hervorzuheben sind Brandseeschwalbe, Flussseschwalbe und Schwarzkopfmöwe, die aufgrund ihrer europaweiten Gefährdung durch die europäische Vogelschutzrichtlinie geschützt sind. Im Winter werden bis zu 20.000 rastende Meeresvögel in der Boddenbucht gezählt. Darunter Wildgänse und Meeresenten in bedeutenden Größenordnungen. Diese Vögel wären trotz der geplanten Schutzwälle durch den beleuchteten und lärmenden Kiestagebau gestört worden. Das wertvolle Brut- und Rastgebiet wäre verlassen worden.
Das gesamte Gebiet ist Nahrungsrevier für den Seeadler, Schlafgebiet für den Kranich und Lebensraum für den Fischotter. Im Osten des Gebietes befinden sich artenreiche Brackwasserröhrichte und Salzgraswiesen sowie in typischer Standortabfolge Sandmagerrasen. Der Osten des Gebietes bildet den einzigen größeren ungestörten Randbereich der Neuendorfer Wiek. Dieser Teil wurde zusammen mit Uferbereichen dem ursprünglichen Seevogelschutzgebiet der Insel Beuchel wegen seiner wertvollen Bestandteile und der Bedeutung für den Vogelschutz zugefügt. Aufgrund der langen Streitigkeiten um den geplanten Kiestagebau wurde das Naturschutzgebiet erst 2005 ausgewiesen.
Die Sandmagerrasen mit den Silbergrasfluren sind Lebensraum für vom Aussterben bedrohte Arten wie das seltene Deutsche Filzkraut, das Acker- und das Zwergfilzkraut und für diverse Insektenarten wie zum Beispiel für wilde Bienen und Erdhummeln. Unter dem Magerrasen lagert gut die Hälfte des Kiesbodenschatzes, der als Bergwerkseigentum kurz nach der Wende verkauft wurde. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen (siehe Chronologie) ist 2011 eine Einigung mit dem Baustoffunternehmen erfolgt und der BUND konnte die Naturschutzflächen auf diesen Magerrasenbiotopen kaufen.
Von besonderer Bedeutung für selten gewordene Insektenarten, für Fledermäuse und als Deckung für den wandernden Fischotter ist auch die Allee von Silenz nach Neuenkirchen, mit rund 1.000 Bäumen im Alter von 50 bis 100 Jahren. Die Allee ist wegen ihrer besonderen Schönheit Teil der Deutschen Alleenstraße vom Bodensee nach Rügen. Die teilweise nur 5 Meter breite Allee wäre die einzige Zuwegung zum Kiesgebiet. Im Falle eines Kiesabbaus wären pro Tag 120 Schwerlasttransporte durch die enge und kurvenreiche Allee gefahren. Dies hätte sowohl die alte Straße als auch die Alleebäume zerstört.
Im Laufe der letzten 10 Jahre hat die Gemeinde Neuenkirchen ihr touristisches Potential vorrangig im Bereich des naturnahen Tourismus ausgebaut. Der Tourismus hat sich neben der Landwirtschaft zum wichtigsten Standortfaktor entwickelt. Neben den bereits umgesetzten touristischen Projekten wie z.B. dem Hotel und Restaurant auf dem Trakehnergestüt Tribbevitz, dem Gutshaus Grubnow, Gasthaus und Pension Neuenkirchen, der Ferienanlage Vieregge, werden derzeit weitere finanzielle Investitionen im privaten touristischen Bereich auf restaurierten Gutsanlagen und Pensionen unternommen. Die Auswirkungen auf die Tourismusentwicklung durch die Kiestransporte auf der einzigen Verbindungsstraße in die Region, wurde in den Genehmigungsverfahren zum Kiestagbau völlig falsch eingeschätzt. Dass die einzige - sehr enge und gewundene- Straße zu den Urlaubsorten durch Kiestransporter im Begegnungsverkehr nahezu blockiert gewesen wäre, hätte jeden Ausflug, jede An- und Abreise zu einem unerfreulichen und gefährlichen Erlebnis werden lassen.